Lebensweise: Das Vorkommen der Blauflügelgans ist auf die
Hochplateaus des Abessinischen Berglandes zwischen 2500 und 4000 m Höhe
beschränkt. In dieser tropischen Hochlandregion bestimmen waldarme
Savannen und eine fast baumlose Hochgebirgsvegetation, auf der
lediglich etwas Viehwirtschaft betrieben wird, das Landschaftsbild.
(Die Kulturzone mit menschlichen Siedlungen und verbreitetem Ackerbau
liegt zwischen 1800 und 2500 m ü.d.M.). Sommers wie Winters herrschen
Durchschnittstemperaturen von 10 - 20°C. Als einziges Biotop bewohnt
diese Gans offenes Gelände, wo kurzgrasige Wiesenflächen in Bach - und
Flußniederungen, an Seen und Senken infolge des ganzjährig vorhandenen
Wassers ein üppiges Wachstum entfaltet. Dagegen werden mit Röhricht und
Busch umsäumte Gewässer völlig gemieden. Früher wie auch in jügerer
Zeit wurden die Blauflügelgänse in vielen dieser Niederungen
angetroffen, doch sind sie nirgendwo sehr häufig. Stets zu Paaren
vereint, gehen die Gänse auf den Wiesen äsend oder im Flachwasser nach
Entenart gründelnd der Nahrungssuche nach. Ihre Fluchtdistanz ist
gering, Gefahren versuchen sie erst durch Laufen auszuweichen, ehe sie
auffliegen. Aufgescheucht, streichen die Gänse in ruhigem Flug niedrig
über das Gelände hin, nicht selten dem Lauf des Baches oder Flußes
folgend. Tiefes Wasser meiden sie anscheinend völlig. Die Brutzeit soll
zwischen Juli und Dezember liegen, Dunenjunge führende Familien sind
aber auch im Mai und Juni beobachtet worden. GAJDACS fand Nester mit 4
- 5 Eiern an den Ufern der Bäche im Gras, sie waren nur spärlich
ausgeplostert. Aus Gefangenschaftsbruten ist ferner bekannt, daß die
Blauflügelgänse 4 - 8 gestreckte, cremefarbene Eier legen, die vom
Weibchen in 34 Tagen erbrütet werden. Über die Jungenaufzucht
freilebender Paare ist wenig bekannt.
Nahrung in der Natur:
Sie besteht zweifellos zu einem großen Teil aus Gräsern und Kräutern
sowie aus deren Samen, doch hebt REICHENOW hervor, daß in den Mägen
geschoßender Exemplare vorwiegend Würmer, Insekten, Insektenlarven und
Schnecken gefunden wurden.
Haltung und Zucht:
Das erste Paar Blauflügelgänse gelangte 1913 in den Tierpark Schönbrunn
bei Wien. Von sieben 1923 importierten Exemplaren brütete vier Jahre
später ein Paar bei dem holländischen Züchter BLAAUW. Seit dieser Zeit
werden Blauflügelgänse in den meisten großen zoologischen Gärten und
Vogelparks, nicht so häufig dagegen bei privaten Züchtern gehalten. Gut
eingewöhnte und gezüchtete Blauflügelgänse sind trotz ihrer
Hochgebirgsheimat robust und langlebig. Ihre Haltung empfiehlt sich in
Großgehegen oder als Nebenbesetzung grasbewachsender Huftieranlagen.
Ähnlich wie die nahverwandten Spiegelgänse sind brutaktive Tiere
bösartig. Zuchtpaare werden besser in Einzelghegen untergebracht. Die
Überwinterung sollte in einem Schutzraum erfolgen.
Obgleich man sich nie intensiv um die Blauflügelgans bemüht hat, sind
die Zuchtchancen nicht gering. Außer in mehreren Zoos gelingt die Zucht
im Wildfowl Trust fast alljährlich. Beginn der Eiablage für 15 Gelege
zwischen 14.4.und 3.6., hauptsächlich in der zweiten Aprilhälfte;
Jungenaufzucht vorwiegend in Boxen ohne Eltern. Über die Erstzucht
berichtet BLAAUW:
Das Paar bewohnte ein großes Rasengelände mit einem kleinen Teich,
einigen Bäumen und Sträuchern sowie einer Binsen - und Schilfsenke .
Anfang Juni wurde ein Nest dieser Gänse unter einem Strauch entdeckt,
zur Eiablage kam es vorerst nicht. Gegen Ende Juni errichteten sie ein
zweites Nest, diesmal in dem Binsenbestand. Anfang Juli legte das
Weibchen 6 Eier, brütete aber schon ab fünftem Ei. Das Paar war nachts
sehr aktiv, und wahrscheinlich sind auch die Nester vorwiegend nachts
errichtet worden. Wegen des allzu kühlen Wetters in jenem Sommer legte
man einer Haushenne die Eier unter. Nach 30tägiger Bebrütung waren 5
Eier am 8. August angepickt, und am folgenden Tag schlüpften vier
Küken. Die Gössel erwiesen sich als überaus schnellwüchsig. Sie bekamen
nach drei Wochen die ersten Federn und waren im Alter von vier Wochen
auf der Unterseite und den Schultern voll befiedert. Nach reichlich
fünf Wochen zeigten sich die blauen Flügeldecken, und im Alter von
sechs Wochen war die Befiederung bis auf das Längenwachstum der
Schwingen im wesentlichen abgeschloßen. Ende Januar begannen die
Junggänse zu mausern. BAUER berichtete von einem in der USA gehaltenen
Paar, das in einem Nistkasten (Einschlupfloch 15 cm Durchmesser)
alljährlich 2 Gelege mit 4 - 5 Eiern erbrachte. Als Brutdauer wurden
jeweils 30 - 31 Tage ermittelt.