Gartenkunst braucht Verstand und Herz
„Wer mich ganz kennen lernen will, muss meinen Garten kennen, denn mein Garten ist mein Herz“ sagte der wohl berühmteste Parkschöpfer Europas, Hermann Fürst von Pückler. Nun gab es lange keine neuen Parkschöpfungen nach dem Vorbild von Pückler. Auf die Pückler’sche Gartenkunst folgten die „Stadtgärten“ und heute die
„Parks“ der Landesgartenschauen. Sie, wie auch die neuerlichen aufkommenden Vergnügungsparks, sind für den „Gebrauch“ durch die Bürger bestimmt. Einen lebenden „Pückler der Gegenwart“ gibt es aber noch. Er ist als Parkschöpfer ein würdiger Nachfolger von Pückler: WERNER SEMMLER. Wer seinen Park betrachtet, erkennt sofort sein Herz und seinen Geist. Semmler ist ein begnadeter Gartenkünstler mit einem genialen Auge. Er schuf in Umkirch bei Freiburg im Breisgau ein Meisterwerk der Gartenkunst, das wie Musik klingt.
Der Park liefert mehr Bilder als die Mona-Lisa
Große Werke benötigen, wie die Mona-Lisa, keine Reklame und keine Erläuterungen. Sie machen sich wegen ihrer Genialität selbst berühmt. Werner Semmler’s Werk braucht auch keine Reklame. Seine schöpferische Tat ist sichtbar und spricht für sich. In dem Werk von Werner Semmler stecken viel mehr Investitionen als in der Mona-Lisa und es eröffnet auch viel mehr geniale „Bilder der Natur“. Doch bis das Werk seine volle Schönheit zeigt, und auch berühmt ist, dürften noch einmal 50 Jahre vergehen. In meinen Gesprächen mit Werner Semmler hatte ich öfters den Eindruck, dass ich in ihm Pückler wieder finde. Semmler ist ein messerscharfer Analytiker mit Weitblick und intellektueller Brillanz. Seine Analysen sind oft unbequem, aber treffend. Deswegen stören sie Menschen mit festgefahrenen Ordnungen. Semmler ist ihnen als Reformer unbequem. Sein Credo ist vielen suspekt: „Es gibt keine Götter-Menschen, sondern nur Menschen, die Götter und Menschen anbeten lassen und beherrschen wollen: Die Natur kennt keine Grenzen von Menschen“.
"Zeigen Sie nicht mich - zeigen Sie mein Werk".
In jedem großen Künstler finden wir in seinem Werk den Ausdruck seiner eigenen Seele, seines Geistes, seines Herzen. In Semmler’s Werk finden wir das Streben nach Wahrheit, Echtheit, Harmonie. Er muss, irgendwann und irgendwo, stark verletzt worden sein und viel gelitten haben, um sein Bedürfnis auf Harmonie, seinen Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit, und den Willen zum Schutz der Natur, erklären zu können. Ein Photo von sich selbst wollte mich der Park-Schöpfer nicht aufnehmen lassen. Er sagte mir: "Zeigen Sie nicht mich - zeigen Sie mein Werk". Der Schlosspark der Fürsten zu Fürstenberg in Donaueschingen, so sagt er, sei seine „Kinderstube“ gewesen. Dorthin zog er sich oft allein zurück und dachte nach über sich und das Leben. Und dort wuchs wohl auch schon als Kind seine Auge für die Natur und seine Leidenschaft für ihre atemberaubende Schönheit. In seinem Werk hat Semmler Spannungsfelder erzeugt. Er lenkt das Auge des Betrachters durch „Sichtfenster“ zwischen der „Majestät des Schlösschens“ und den „Majestäten der Natur“: Wasser, Bäumen, Blumen, Sträuchern, Kaiserstuhl, und Schwarzwald. Semmler hat dafür gesorgt, dass die Natur "Bilder malt" und wie Musik klingt. Er sagt von sich selbst, dass er viele dieser Bilder nicht mehr sehen kann, denn bis seine gepflanzten Geschöpfe der Natur erwachsen sind und ihre volle Schönheit zeigten, werde er nicht mehr leben. Park-Künstler erleben das „Erwachseinsein“ ihrer Werke nicht mehr und arbeiten für die Zukunft. Um das Werk dennoch arrangieren zu können muss der Parkschöpfer davon träumen können. Er muss sich vorstellen können, wie sich seine Geschöpfe im Alter entwickeln, welchen „Habitus“ sie zeigen und welche, älter werdenden, Bäume ihre Nachfolger werden. Denn die Bilder eines Parks wachsen in vielen hundert Jahren. Sie sind, wie wir alle, Leben und Tod unterworfen. Wie der „Dirigent“ eines „Orchesters“ hat Semmler die „Musikanten“ seines Konzerts, die Bäume und Sträucher, in die richtigen Stellungen gebracht: In eine rot färbende Eichen-Gruppe plötzlich eine gelb färbende „Tulpenbaum-Geige“, zum dunkelgrünen Kontrabass des Mammutbaums , als zarte Harfe, das sanfte Grün einer Sumpfzypresse. Und in eine leuchtend gelb färbende Gruppe der ewigen Ginko-Bäume den lauten Bass einer scharlachroten Coccinea-Eiche. Semmler hat spannungsvolle Baumpflanzungen in nicht gleichschenkligen Dreiecken vorgenommen. Mit Zwillingen, Drillingen und Fünflingen. Sein Park soll ein „Konzert der Bäume und der Natur“ sein. Die künftigen Besucher als aller Welt sollen Harmonie und Ruhe empfinden, ihren Geist und ihre Sinne öffnen und Mut für gestaltete Reformen schöpfen. Nach Semmlers Meinung gibt es ohne ständige Reformen keine Zukunft. Und er glaubt, dass wirksame Reformen kreative Reformer brauchen. Für Werner Semmler zählen Bäume zu den Ur-Metaphern für die Ewigkeit. Und wer, so fragt er, wolle nicht ewig leben?
Die Bilder aus Semmlers Park werden immer wieder anders aussehen. Seine „Musik der Natur“ wird immer wieder, von Jahr zu Jahr, und im Lichte von Zeit und Raum, wie eine andere „Sinfonie“ klingen. Semmlers ewige „Mona-Lisa“ wird den Besuchern in den nächsten 100 Jahren immer wieder neue Bilder senden. Und Werrner Semmler's eigene Seele spiegeln. Und keines seiner „wachsenden“ Bilder wird gleich sein wie das Letzte.
Werner Semmler's Queen-Auguste-Victoria-Park
Der Park in Umkirch bei Freiburg liegt in der schon von den Römern mit Reben bepflanzten, milden und fruchtbaren Kulturlandschaft des Oberrhein-Grabens im Breisgau. Der Park wurde 1933 von Ihrer Majestät, Auguste-Victoria, Königin von Portugal, Prinzessin von Hohenzollern, begründet. Sie hatte den letzten König von Portugal geheiratet und war nach seinem Tod in die badische Heimat zurückgekehrt. Von ihrem Bruder, dem Fürsten von Hohenzollern, ließ sie sich einen Teil von seinem Stammgut abtreten und baute sich ein kleines Schlösschen, das, so die damalige Freiburger Zeitung „eine Zier für die ganze Gegend“ werden sollte. Mit der Zeit verwilderte jedoch der „königliche Hausgarten“ und das Anwesen wurde 1994 versteigert. Der Verleger Werner Semmler ersteigerte es und machte draus ein Meisterwerk der europäischen Gartenkultur. Für seine Parkschöpfung wurde er mit dem Europäischen Kulturpreis ausgezeichnet.
Historie siehe: www.queen-auguste-victoria-park.de
Gartenkünstlerische Blickachsen und Sichtfächer, gesäumt von Baumschönheiten, blühenden Sträuchern und Rosen, lassen den Blick schweifen auf den schönen Kaiserstuhl und die majestätisch in der Nähe liegenden Berggipfel des Hochschwarzwaldes. Man sieht, dass der Park am Fuße des Kaiserstuhls und den Schwarzwaldbergen liegt. Der Landschaftspark hat eine Größe von ca. 11 Hektar. Der private Naturpark ist nicht öffentlich. Er dient nicht, wie ein Stadtgarten, dem Massen-Gebrauch durch die Menschen, sondern der Erhaltung der Artenvielfalt , dem Schutze des Bau,- und Gartenkulturwerkes und der Natur. Das liebliche Klima lässt hier, fast wie in einem unberührten "Garten Eden", seltene Bäume, Sträucher und Blumen wachsen, blühen und vermehren und garantiert das Überleben einer großen Artenvielfalt. Selbst Kiwis wachsen im Park und tragen süße Früchte. Kein Wunder, dass auch die Tiere an der Vielfalt des Nahrungsangebotes (im Gegensatz zu langweiligen Monokulturen von Maisfeldern und Nutzholdwäldern) ) gefallen gefunden haben und sich wieder ansiedeln. Seit die landwirtschaftliche Nutzung im Park eingestellt, keine chemischen Düngemittel und Spritzmittel mehr verwendet, und der Park vom ständigen Durchgangsverkehr beruhigt wurde, haben sich über 60 Vogelarten, zahlreiche Amphibien, Insekten, Libellen und Käfer wieder eingefunden. Wegen der Verschlechterung der Wasserverhältnisse und der Austrocknung der ursprünglichen Auenlandschaft wurden Bachrenaturierungen vorgenommen und Wasserrückhaltezonen geschaffen, damit das kostbare Süßwasser nicht mehr so schnell über die Wasser-Schnellstraße Rhein ins Salzwassermeer fließt, sondern die Auenlandschaft „ernährt“. Der Park ist nicht öffentlich, doch gibt es gelegentlich Besichtigungsmöglichkeiten, die über die Presse oder über das Internet mitgeteilt werden. Seit der Parkschöpfer das Anwesen erwarb, möchte er ihm zur Sicherung seiner Erhaltung eine Einkommensquelle eröffnen und das Schlossgut zeitgemäß mit einem Aufzug, einer Orangerie und Gedenkstätte modernisieren. Doch wurden ihm dazu ein Jahrzehnt lang Steine in den Weg gelegt. Über diese „Steine des Neides, der Missgunst und der Doppelmoral“, selbst an einem guten Werk, würde es sich lohnen, allein einen Artikel zu schreiben. Dass Semmlers Parkschöpfung gelungen ist zeigt auch die Wahl des Fernsehsenders Pro Sieben. Der wählte die Kulisse des Parks für die Aufnahme einer „Fernseh-Hochzeit im Park der Queen“, die über zwei Millionen Zuschauer sahen.
Es gibt einen virtuellen Rundgang durch den Park mit vielen bezaubernden Bildern.
www.queen-auguste-victoria-park.de
Anmerkung der Redaktion: Der Verfasser ist Garten- und Landschaftsarchitekt, Parkdenkmalpfleger und Autor zahlreicher Bücher über historische Gärten und Parkanlagen. Er gilt als der Nestor der deutschen Gartenkunst. Der Artikel erschien verkürzt auch im KULTURFÜHRER FREIBUG, Ausgabe 2009, ISBN 978-3-9811965-2-8, Kulturverlag Art + Weise